Långfärdsskridskoåkning på Runn
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"Lernen und Geniessen sind das Geheimnis eines erfüllten Lebens."
Precht
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Das, worum es mir vordergründig ging, habe ich super gut umsetzen können: Eislaufen. Auf diesen in Schweden und anderswo so typischen Tourenschlittschuhen. Die habe ich mir noch während unserer Schwedenzeit gekauft, wahrscheinlich 2014,
gebraucht natürlich, im Set mit passenden Schuhen. Der besondere Reiz bestand für mich von Anfang an in der Idee, sich mit Stöcken übers Eis stossen zu können, auch wenn man unsicher auf Schlittschuhen ist - wobei gerade,
und das ist mindestens genauso wichtig, diese Schlittschuhe aufgrund ihrer viel geringeren Krümmung um einiges stabiler sind. Die scheinbare Leichtigkeit und Eleganz der Fortbewegung faszinieren mich, seit ich das das erste Mal gesehen habe.
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Der ganz besondere Reiz ergibt sich aber erst durch das Fahren auf natürlichem Eis. Nicht nur auf einen der vielen Seen, die gerne auch von lokalen Enthusiasten präpariert werden, sondern auf Meereis, sprich der Ostsee.
Das letzte habe ich zwar bis heute noch nicht geschafft - als wir mal auf gefrorenen Teilen der Ostsee unterwegs waren, war ich von der praktischen Umsetzung noch weit entfernt - aber auf dem Runnsee bei Falun haben wir schon einmal unsere
Runden gedreht - und der war auch diesmal mein Ziel.
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Aber eigentlich muss ich weiter ausholen. Eigentlich habe ich mich zu einem Opfer der Werbung machen lassen. Seit unserem vorerst letzten Familienurlaub im Vorjahr liegen zuweilen Angebote von Icelandair in meiner Inbox.
Diese Verlockung plus die Tatsache, dass viele Unterkünfte auf Airbnb ab einem Monat Mietdauer mit ordentlichen Rabatten zu haben sind, haben mich diese Reise für weniger als einen Flug allein während der Hauptreisezeit machen lassen.
Aber auch dann hätte ich diesen Trip nicht notwendigerweise gemacht (es gibt ja tausend andere Angebote, die uns nicht interessieren).
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Denn "ganz eigentlich" kann ich noch weiter ausholen. Vielleicht etwas weit hergeholt, aber wollte Diogenes, der Genügsamkeit und grösstmögliche Bedürfnislosigkeit angestrebt hat, nicht auch mehr, als er Alexander den Grossen aufforderte,
ihm nur etwas aus der Sonne zu gehen?
Ich wollte Sehnsüchte stillen, nichts weniger als das, insbesondere mehr Gelegenheit für Resonanz, Bewegung, Bildung - und ist natürlich auch Ausdruck dieser äusseren Freiheit, es tun zu können.
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Am Anreisetag war natürlich erstmal Ankommen angesagt. Am Morgen des Vortages hat mich Jana gegen neun zum Flughafen gebracht, gegen Mittag lokaler Zeit war ich in Stockholm. Zwei Stunden später ging mein Zug nach Falun.
Anders, bei dem ich die Unterkunft gebucht hatte, hat mich vom Bahnhof abgeholt und mit Einbruch der Dunkelheit war ich in meiner Bude. Ich wollte es nur noch bis zu einer vernünftigen lokalen Bettgehzeit aushalten, um möglichst schnell
in den neuen Zeitrhythmus zu kommen. Ein erster, überwältigender Besuch im zehn Minuten entfernten ICA-Supermarkt und eine Stunde Skypen waren genug Beschäftigung für den ersten Abend.
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Am nächsten Tag wollte ich nicht gleich aufs Eis, das wäre mir übereilt vorgekommen. Also bin ich erstmal relativ zeitig in die Stadt spaziert, Tourismusinformation usw., um festzustellen, dass vor zehn erstmal nicht viel passiert.
Gegen Mittag reifte dann doch der Wunsch, das Eis zu probieren. Was soll der Aufschub? Bei der Gelegenheit wurde mir auch klar, dass ich wohl doch auf den Bus verzichten kann. Von meiner Unterkunft war es zu Fuss eine halbe Stunde ins
Stadtzentrum und eine halbe Stunde zum See. Das heisst, eine gute Stunde später war ich schon auf dem Eis. Ich weiss noch, der Moment, als sich nach Überquerung einer Kuppe der See in der Entfernung auftat
und ich die ersten Eisläufer sah, tat mein Herz einen Sprung.
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Bevor ich's vergesse. Wer die Leningrad Cowboys kennt, wird sich nicht wundern, wieso die mir immer in den Sinn kamen.
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WARNUNG: sich wiederholender Bildinhalt
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Die nächsten vier Tage herrschte schönstes Winterwetter. Strahlende Tage. Unglaublich.
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Eine über fünf und eine drei Kilometer lange Spur waren geräumt, aber die Schneedecke war vielleicht nur einen Zentimeter dick und das Eis darunter in der gleichen Qualität, so dass ich mich weit hinaus habe ziehen lassen.
Irgendwer war immer noch weit draussen unterwegs, das gab Gewissheit, aber um sich zu begegnen, hätte man sich schon anstrengen müssen.
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Auf allen Inseln haben die Leute ihre Sommerhäuser. Um diese Zeit ist niemand dort unterwegs. Nicht zuletzt wegen dem Allemansrätten darf man es sich gut und gern auf den Stegen oder auch diversen Sitzgelegenheiten für eine Fika (Kaffeepause) bequem machen.
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Man muss schon gut in sich hineinhorchen um den richtigen Zeitpunkt zur Weiterfahrt zu finden. Sitzen tut gut und die Sonne wärmt, aber das Eis glitzert in tausend Farben und lockt zur Weiterfahrt.
Aber irgendwann war der Hosenboden feucht und der Kaffee alle. Und das war dann doch schwer zu überhören.
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Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nicht die volle Gewissheit, aber das Eis war zu keinem Zeitpunkt unsicher. Das wechselnde Wetter zaubert zwar manchmal schöne Formationen, aber dünnen oder offenen Stellen bin ich nie begegnet.
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Die allerersten Schritte auf dem Eis nach so langer Abstinenz waren ja spannend und auch im Verlauf der Wochen brauchte ich immer erst vielleicht ein Kilometerchen, um wieder "rein" zu kommen. Ähnlich lange dauerte das Aufhören,
wenn auch aus anderen Gründen, also weil sich mit fortschreitender Stunde die Bahnen leerten und das Licht interessant wurde.
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Wenn jetzt Schluss gewesen wäre mit Eislaufen, wäre ich nicht unglücklich gewesen. Diese Tage waren goldig, im wahrsten Sinne des Wortes, und haben mir die erhoffte Erleichterung verschafft, war mir das Eislaufen doch schon wunderbar gelungen.
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Denn nun war erstmal Tauwetter angesagt. Das Eis selbst war dick genug, aber die Oberfläche wird halt schnell zu weich fürs Schlittschuhlaufen.
Die nächsten Tage war ich also in der näheren und entfernteren Gegend unterwegs. Bis ins Lugnet Naturreservat bin ich mal gebummelt und bin dort über den ganzen Tag lang eine grosse Runde gewandert.
Auf der stadtabgewandten Seite konnte man dann auch dem Lärm der Fernverkehrsstraßen entkommen und ich hatte sowieso diese Runde für mich allein. Ein Traum.
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Ausserdem sind meine gleich am ersten Tag bestellten Bücher eingetroffen und ich habe die "Sternstunden Philosophie" des SRF entdeckt.
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Der sechste Tag auf dem Eis war wieder ein fantastischer Sonnentag und voller Symbolik. Denn nun beherrschte ich das wechselseitige Abstossen und Gleiten.
Bisher musste ich mich nach drei bis fünf Mal Abstossen erstmal wieder stabilisieren. Nun war ich auf Vortrieb, solang ich wollte bzw. mir keine zu grossen Risse, Spalten oder Unebenheiten in den Weg kamen. Ich hatte es zwar nicht darauf angelegt
und ich war mir dessen auch gar nicht gleich bewusst, aber nun war es vollbracht.
Ein Schelm, wer da an die Schöpfungsgeschichte denkt.
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Und passend zum Ereignis war das Licht. Abendrot und Nebel. Geht's irgendwie besser?
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Na ja, und um die Schöpfungsgeschichte zu komplettieren, habe ich am Folgetag geruht. Der Himmel war zugezogen, ich habe bis weit in den Morgen geratzt, und meine Knochen genossen die Schonung.
Bis auf einen Abstecher zum Supermarkt füllten den Rest des Tages meine Bücher, SRF und Musik.
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Die nächsten Tage zogen wieder ein paar Plusgrade durch, diesmal sogar mit Regen.
Das mit der nächsten Kältewelle überfrierende Wasser hat viele Risse und Spalten geschlossen und interessante Muster produziert.
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Und mit dem Regen wurde fast jegliche Schneedecke aufgelöst und der See hat sich in eine einzige Spiegelfläche verwandelt.
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Dank Rückenwind habe ich an diesem Tag übelste Geschwindigkeiten (also für meine Verhältnisse) zustande gebracht. Meinen sonst üblichen Fokushorizont von fünf Metern musste ich dann in
Richtung acht oder zehn Metern ausdehnen. Man glaubt gar nicht, wie anstrengend das sein kann, diese andauernde Mustererkennung, die Risse und Spalten zu erspähen, bzw. sich rechtzeitig an die grössten zu erinnern.
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Schon vor dem Mittag bin ich los und war erst nach sechs zurück. Ein unglaublicher Tag.
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Inzwischen kannte ich ja auch meine diversen Pappenheimer, die gröbsten Spalten und Risse. Einmal hat es mich aber doch voll erwischt. Zwar bin ich einem Monster gut ausgewichen, aber nur um zwei Meter weiter doch in einen frischen Spalt zu geraten
und einen sauberen Sturz hinzulegen. An der Stelle muss ich sagen, dass ich bis auf Ellenbogenschützer keinerlei neues Zeugs für den Trip besorgt habe. Alles schon bzw. noch vorhanden. Sprich, die Knieschützer haben Wunder bewirkt.
Tatsache ist aber auch, dass höhere Geschwindigkeiten beim Sturz eher von Vorteil sind: der Aufprallwinkel verringert sich, ha.
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Wenn sich so nach eine Weile Fahrt auf dem Eis die Körperwärme gut verteilt hat und bei Temperaturen so um den Gefrierpunkt, ist es einfach ein Genuss, mit den unbehandschuhten Händen in die Luft zu greifen.
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Und noch eine Erkenntnis musste ich machen, eine gnadenlose noch dazu: Ich bin nie der Letzte auf dem Eis. Selbst wenn schon kein Auto mehr auf dem Parkplatz steht wenn ich vom Eis krauche, kommt noch irgendeine Gruppe Jugendlicher für eine Runde Eishockey.
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Ein paar Tage später hat es wieder geschneit. Eine gute Ladung sogar. Also habe ich mich auf eine alternative Runde zu Fuss auf den See gemacht. Wenn ich die Winterstiefel schon mit hatte, wollte ich sie wenigstens auch einmal einsetzen.
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Das ist Olof. Während ich ihn fotografiert habe, hat mir was zugerufen. Wenigstens konnte ich ein "Jag pratar lite svenska" entgegenen. Dann bin ich hin marschiert und wir sind gut ins Gespräch gekommen.
Er wollte mir gleich seine Schneeschuhe borgen.
Auf meinem Rückweg habe ich noch mal bei ihm verweilt und ihm ein paar Kekse angeboten, was ich vorher glatt vergessen hatte.
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Zum Nachmittag bin ich wieder aufs Eis. Wie vermutet, hat der Freiwilligenverein inzwischen die Fahrspuren freigelegt. Keine Minute zu früh war ich da. Phantastische Stimmung.
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Das gute am Norden ist ja der flache Verlauf der Sonne. Nicht nur hat man lange lange Schatten, auch die blaue Stunde will manchmal kein Ende nehmen.
Wenn das Licht vom Firmament reflektiert, dann ist es, als ob es sich förmlich auf den Schnee legt und man es greifen kann. Die scharfen Kontraste schwinden und alles wird so plastisch.
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An diesem Tag war ich erst weit nach sieben zurück in meiner Bude.
Ich hatte zwar eine Stirnlampe im Gepäck, benutzt habe ich sie nie. Es lag immer genug Licht auf dem Eis. Tolle Sache.
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Nun ist mir beim Lesen auf Spektrum.de ein Bericht über eine anstehende Konjunktion untergekommen. Die Neumondsichel sollte zwischen Jupiter und Venus auftauchen. Jedoch, war bisher auf den Wetterbericht gut Verlass,
so lagen doch beide dem Eisbericht beiliegenden Vorhersagen voll daneben. An diesem Folgeabend war der Himmel dann aber wieder wolkenklar. Den Mond war dann zwar schon um einen Tag weiter,
aber schön in einer Linie mit den Planeten.
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Einmal zumindest, dachte ich mir, hat Morgenstund auch Gold im Mund. Um sieben auf dem Eis zum Sonnenaufgang. Hat was. Wenig los.
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Aber so zeitig aus dem Bett und ohne Frühstück, da bin ich zwei Stunden später in letzter Rettung erstmal gleich aufs Bett gesunken und habe für eine geschätzte Viertelstunde diese nicht verschwinden wollenden grauen Muster hinter meinen Augenlidern bestaunt.
Beim Duschen dann wieder dieser witzige Effekt, dass das vom Oberkörper rinnende Duschwasser an den Oberschenkeln kalt ankommt, so verkühlt war ich immer noch. Das Frühstück hat dann allerdings umso besser geschmeckt.
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Was besseres, als mit Musik den Rest des Vormittags auf dem Bett zu verbringen, konnte ich mir dann unmöglich vorstellen.
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Die Schweden haben diverse Suppen wie Würste verpackt im Angebot. Die Erbsensuppe schmeckt wie aus einer NVA-Gulaschkanone und gibt's für umgerechnet einen Dollar das Stück. Besser geht ein Mittagessen einfach nicht.
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Und weil es so schön ist, bin ich am späten Nachmittag wieder aufs Eis und war wieder erst gegen sieben zurück. Die Bahn war inzwischen wieder spiegelglatt, das bisschen Restschnee vom Bahnpflügen von der Sonne weggeleckt.
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Wunderschön, wenn sich Venusgürtel (oder wie ich lesen musste auch Gegendämmerungsbogen genannt) und Erdschatten am Horizont ausformen. Wie soll ich denn da ein Ende finden?
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So ein paar Runden auf dem Eis bereiten mitunter meditative Momente. Immer dann, wenn ich merkte, mich nicht bewusst an die eben aktiv zurückgelegten Meter erinnern zu können, war mir klar, dass ich wieder im Flow war.
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Ein mehr an Licht, Farben und Elemente um die Ohren hätte keine Steigerung mehr gebracht. Mein Speicher war inzwischen voll, meine Sinne gesättigt und mein Wunsch nach Festhalten war erfüllt. Also habe ich zum ersten Mal meine Kameras zurücklassen können.
Wie sich herausstellte, sollte dieser Tag der letzte auf dem Eis gewesen sein. Zumindest auf Schlittschuhen.
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Eine dicke Warmfront zog wieder durch und innerhalb weniger Stunden war die Eisoberfläche wieder zu weich, um vernünftig fahren zu können. Witzigerweise war seit ein paar Tagen weniger Betrieb als sonst auf dem Eis.
Trotz Sportlov, der Ferienwoche, wo ganz Schweden Wintersport betreibt. Wahrscheinlich sind sie alle Skifahren. Es gab Zeiten, da habe ich ein, zwei Kilometer vor und hinter mir niemanden in der Bahn gesehen.
Mein Rundgang auf dem Eis war entsprechend entspannt.
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Und wen treffe ich wieder? Olof. Diesmal hat er voll aufgefahren, in der Hoffnung, diversen Touristen mit Eisangeln und Fischsandwich-Verkauf etwas Geld aus der Tasche zu ziehen.
Denn kurz nach unserem ersten Treffen hat er tatsächlich einen dreiviertel Meter langen Hecht gefangen. Er hat sich gefreut wie ein Schneekönig.
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Sehr sympathisch der Mann.
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Die Bohrerlänge hat übrigens seine Berechtigung. So dick ist das Eis tatsächlich.
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Die verbleibenden drei Tage bis zur Abreise war ich also in der Stadt unterwegs.
Museum, Bibliotheks-Cafe und Beobachtungen.
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Das waren dann also die letzten Bilder vom Eis. Aber halt, etwas habe ich noch. So sieht es also um Grönland aus. Bin beeindruckt.
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Die Rückfahrt verlief nicht nur unaufgeregt, sondern sogar fast entspannt. Um sieben war ich am Bahnhof, Anders hat mich die fünf Minuten hingefahren. Für den Aufpreis im Gegenwert eines guten Kaffees konnte ich in der
ersten Klasse die Beine hochlegen, mich ausbreiten und entspannt frühstücken. Super angenehm. Drei Stunden vor Abflug war ich am Flughafen. Der Bahnhof liegt ja direkt unter dem Terminal.
Der Zwischenstopp in Reykjavik war eine gute Gelegenheit, sich die Beine zu vertreten und etwas Wasser ins Gesicht zu werfen.
Der siebenstündige Weiterflug war nur halb ausgebucht, also viel weniger lästig als der Herflug. Gegen fünf am Abend lokaler Zeit war ich in Seattle. Und bin eine gute Stunde später in den Flixbus direkt nach Bellingham gestiegen, wo mich Jana abgeholt hat.
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